Dorfgemeinschaft Dreisel

Haus Gauchel um 1928, Birnbaum in Brunnenschacht gepflanzt

 

Das Leben der Menschen in einem Dorf wie Dreisel war nie leicht. Die Abgeschiedenheit war in den Zeiten vor der weitgehenden Motorisierung der Bevölkerung oftmals ein wichtiger Grund für ein nach heutigen Maßstäben geradezu erbärmlich anmutendes Leben. Industrielle Arbeitsplätze waren rar und wenn es sie überhaupt gab, dann war der (Fuß-)Weg zur Arbeit oft weit und beschwerlich. In der näheren Umgebung gab es einzelne Fabriken entlang der Bahnlinie, wie z.B. Elmores (Foto) in Schladern, Hermes in Rosbach oder das Walzwerk in Wissen. Viele Dreiseler waren auch bei Post und Bahn beschäftigt. „Nom Steen" (zu Elmores, wobei mit  „Steen" die damalige Siedlung Stein bei Schladern gemeint war) und zur Firma Hermes ging man zu Fuß über den „Steener Berch" (Maueler Wald), ebenso ca.3 Stunden zur Hohe Grete, wo sich ein Bergwerk befand, oder zum Walzwerk nach Wissen. Bernd Overhaus berichtet von seinem Onkel Anton, einem Schreiner, der um 1930 in Köln beschäftigt war. Als er arbeitslos wurde, fuhr er einmal pro Woche mit dem Rad nach Köln, um dort sein wöchentlich ausgezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 5 Reichsmark abzuholen.

 

Fast jede Familie betrieb jedoch nebenbei noch etwas Landwirtschaft und Viehzucht, zumindest für den Eigenbedarf.

In den 50er Jahren gab es jedoch auch ca. 6 Vollerwerbs-Landwirte in Dreisel, die ihren Unterhalt mit dem Anbau von Getreide und Kartoffeln oder der Viehzucht sicherten.

 

Joachim Gauchel über seine Kindheit in Dreisel:

 

In meiner frühen Kindheit hatten wir ein Schaf, 3 - 4 Kühe, dazu Rinder als Nachwuchs und Kälbchen aus eigener Zucht, alle im alten Stall hinterm Haus. Und zwei Zugochsen. Die hießen immer Max und Schömmel. Dazu ein Schlachtschwein und Hühner für die Eier, von selbst aufgezogenen Küken. Etliche Jahre lang hatten wir auch eine Muttersau für den Ferkelnachwuchs.

Im Haus und draußen tummelten sich 2 Katzen, z.B. Pussi und Möhrchen hießen. Zum Kochen von Kartoffelschalen und anderem Futter gab es die Viehhütte, sie diente auch zum Wäsche waschen und zum Wursten beim Schlachten.

Der Backofen war im Haus neben der Viehhütte, der Räucherschrank auf dem Speicher. Er wurde mit kokelndem Sägemehl betrieben. Das Brotgetreide wurde oben im Haus aufbewahrt, später in dem Vorratsraum über der Mühle.

Bis in die 1960er Jahre war fast alles Handarbeit beim Mist und Jauche fahren, säen, Heumachen, füttern, melken, bei der Getreideernte, beim Bäume fällen und Zäune machen. Jedoch hatten wir eine Mähmaschine, die Dreschmaschine und einen Kartoffelroder.

 

 

Als man die Tiere nicht mehr selbst schlachten durfte, kam der Metzger auf die Höfe und zu den Familien. Sein Lohn war, dass die Tierbesitzer die Hälfte des Fleisches an ihn verkauften.

Joachim Gauchel: „(..), da musste man die Katzen von fernhalten, dazu schlossen wir das Elektrozaun-Gerät an."

 

 

Josef Schmidt im Stall und mit Pferdefuhrwerk. 1955 verfügte der Bauer über ein Pferd, das bereits sein Vorgänger auf dem ehemaligen Christgen-Hof in der Dorfmitte aus Ostpreußen mitgebracht hatte, ca. 8 Kühe, Jungvieh und den mächtigen Bullen, der für die Zeugung von kleinen Rindern im Dorf und der Umgebung zuständig war. Vielleicht galt er auch wegen dieser herausgehobenen Stellung als äußerst selbstbewusst und nur mit Vorsicht zu genießen.

Auf dem Christgen-Hof im Kettenroth gab es auch die erste Dreschmaschine, die in einer Scheune an der Stelle untergebracht war, wo heute die Lagerhalle des Getränkemarktes ist. Die Dorfbewohner konnten dort  auch ihr eigenes Getreide zum Dreschen hinbringen.

 

 

 

Gottfried Seifer und seine Familie waren ebenfalls  angesehene Leute im Dorf. Das Foto aus den 1950er Jahren zeigt das Wohnhaus der Familie und den Hausherrn bei einer Zigarettenpause. Im linken Hausteil wohnte sehr beengt Bauer Gottfried mit Ehefrau und den 4 Kindern, rechts hatte die Oma einen separaten Eingang und zwei Zimmer. Später wurde das Haus wieder zu einem einzigen Wohnhaus umgebaut. Das Moped im Vordergrund gehörte übrigens der Oma. Sie hatte damit, so weiß man noch heute, stets „eingebaute Vorfahrt". Das untere Foto zeigt Gottfried Seifer mit seinen Ochsen auf dem Weg zur Feldarbeit. Es entstand an der Ecke Lommerbruch/Steinbahnstraße am heutigen Dorfbrunnen.

 

Horst Christgen (geb. 1935) in Dattefälder Platt (Teil 3) von Hemut Salz:

De Feekel-Wanderung:

Mengen Fatter hadden paa Köö unn zwei Feekel; datt wooren Häcksäu. Wammo do-fonn Kleene hann wollt, mutten di jo nomm Eeber. Der näkßte Eeber woor ze Löschend. Wannet wedderesuwegg woor, dadden Fee-kel nomm Eeber sollt, bonge mo dämm Diir enn Schtreck annet Hengerbeen unn loss genget Rischtung Löschend. Weil enn Feekel jo kennen ´Wanderfauel´ ess, woor di Proze-duur kenn Zockerläcken, dänn datt Diir hatt gätt andesch emm Kopp alz wi denn Bee-risch eropp ze loofen. Su duete der Wää no Löschend doch ärsch lang. Wann dann der Eeber feedisch woor (su noo 2 Daach) genge mo wedder no Löschend unn hoelten uss Feekel wedder aff. Der Röckwää woor dann jenau su ääkelisch, wi der Wää noo Löschend.

Die Ferkel-Wanderung:

Mein Vater hatte mehrere Kühe und zwei Ferkel; dies waren Muttertiere. Um von diesen Ferkeln Jungtiere zu erhalten, mussten sie zu einem Eber. Der nächste Eber aber war in Leuscheid. Wenn es wieder so weit war, dass ein Ferkel zum Eber sollte, banden wir dem Tier einen Strick ans Hinterbein und los ging die Wanderung nach Leuscheid. Weil ein Ferkel nun mal kein 'Wandervogel´ ist, war diese Wanderung alles andere als ein netter Spaziergang, denn das Tier hatte meist anderes im Sinn, nur nicht eine Wanderung bergauf. So dauerte der Weg nach Leuscheid unverhältnismäßig lange. Nach etwa 2 Tagen (wenn der Eber sein Werk vollbracht hatte) gingen wir nach Leuscheid und holten unser Ferkel wieder ab. Der Rückweg war dann ebenso problematisch wie der Weg nach Leuscheid.