Dorfgemeinschaft Dreisel

Wenn man aus heutiger Sicht zurückblickt auf das Dreiseler Leben in früheren Jahrzehnten, so fällt auf, dass es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts im Dorf eine Vielzahl von kleinen Geschäften und Gewerbebetrieben gab. Man könnte sogar geradezu neidisch werden auf das Leben zu jener Zeit, in der es wohl möglich war, z.B. die Nahrungsmittel stets im Dorf zu kaufen ohne die dauernden (Auto-)Fahrten in die größeren Nachbarorte oder gar nach Siegburg oder Köln.

Allerdings darf man dabei auch nicht zu sehr ins Schwärmen geraten von der „guten alten Zeit", schließlich hat sich das, was heute als „Grundbedürfnisse" gilt, in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt. Die Ansprüche heutiger Durchschnittsbürger z. B. bezüglich der Warenvielfalt wären mit dem damaligen Angebot wohl nicht zu befriedigen. Vielmehr entstand die Vielzahl der Verkaufsstellen („Tante-Emma-Läden") auch als Folge einer geringeren (vor allem automobilen) Mobilität der Menschen.

Finden wir heute in Dreisel lediglich noch 2 Gaststätten mit wechselnden Öffnungszeiten, 2 Autowerkstätten/Autohändler, einen Quad-Handel, einen Getränkehandel sowie ein Versicherungsbüro, so gab es bis in die 50er und 60er Jahre allein mindestens 7 Stellen im Dorf, wo man Lebensmittel einkaufen konnte:

  • Bäckerei Höffer, dann Matzke, später Badneck (Wehrbusch)
  • Anna Joest (Wehrbusch)
  • Willy Patt „Büdchens Willy" (Kastanienweg), Vater: Peter Patt, fahrender Händler
  • Gottfried Gauchel (Kettenroth)
  • Stangier/Steinfeld (Steinrutsche)
  • Josef Gauchel
  • Trompeter (Verkauf von Brot- und Backwaren für Bäckerei Henn aus Dattenfeld)

Josef Gauchel (Emilie Jupp) hatte ein größeres Lebensmittel- und Kurzwarengeschäft und bediente seine Kundschaft auch als fahrender Händler.

 

Horst Christgen (geb. 1935) in Dattefälder Platt (Teil 3) von Hemut Salz:

Lebensmitteljeschäft ob Rääder:

Wie esch noch kleen woor, hatt der Emilie Jupp ze Dreesel enn Jeschäft mett Lebens-mittel, dann noch 2 Köö, enn Peed unn emm Huus enn eejenen Bronnen. Jeden Friidaach fuure mett sengem Peedsfuurwärk biss ennet Löschender Land, ömm doo allerhand Lebensmittel ze fokoofen. Omm Heemwää brääschte dann Botter unn Eier mett, die bei denn Buuren ennjetuscht hatt; di dääte dann enn sengem Dreeseler Jeschäft wedder fokoofen. Emm Wöngter, wann fill Schnii looch (unn datt woor doomools döckes esu) zoche mett sengem Peed unnem grueßen Schledden no Löschend, ömm doo sengen Jeschäften noozegoon.

Rollendes Lebensmittelgeschäft:

Als ich noch klein war, hatte Josef Gauchel (genannt: Emilie Jupp)  in Dreisel ein Lebensmittelgeschäft, 2 Kühe, 1 Pferd und im Haus einen eigenen Brunnen. Jeden Freitag fuhr er mit dem Pferdefuhrwerk (das war eine Art Kutsche) ins Leuscheider Land, um dort Lebensmittel aller Art zu verkaufen. Mit zurück brachte er Butter und Eier, die er bei den Bauern eingetauscht hatte. Diese Produkte wiederum verkaufte er dann in seinem Dreiseler Geschäft. Im Winter, wenn viel Schnee lag (und das kam früher häufig vor!) zog er mit Pferd und einem großen Schlitten nach Leuscheid, um die genannten Geschäfte abzuwickeln.

 

 

 

Mit Wurst und Fleisch wurden die Dorfbewohner (außer durch eigene Schlachtungen) von auswärts versorgt. Die Dattenfelder Metzgereien Rödder, Patt und Happ kamen regelmäßig mit Warenkörben auf Fahrrädern nach Dreisel. Ebenso kam auch ein Obst- und Gemüsehändler regelmäßig aus Schönenbach bei Waldbröl. Der „Gemüse-Erwin" hatte sogar solche (für damalige Verhältnisse) „exotischen" Früchte wie Bananen und Apfelsinen im Angebot. Für die Dorfbevölkerung war „Obst" meist nur das, was im eigenen Garten – oder dem des Nachbarn - wuchs.

- Wilhelm Koch war ein Kurzwaren-Einzelhändler, der sich auch als „Kappes-Schaber" betätigte und daher den Spitznamen „Kappes-Kauch" trug (Foto links).

- Karl Kolb ("Priddels-Karl") war als Landwirt auch Betreiber der Ziegenbockstation, von der wohl oft eine gewisse Geruchsbelästigung ausging. Außerdem betätigte er sich als Fahrer des Leichenwagens. Der Leichenwagen war im Besitz des Schreiners Anton Overhaus. Dieser kümmerte sich neben seiner Werkstatt auch um Beerdigungen. Er belieferte auch örtliche Bauherren mit Fenstern und Türen und schleppte diese sogar auf seinem Rücken bis in die Ohmbach.

- Peter Busch hatte eine Schmiede im Kastanienweg. Dort baute er u.a. Werkzeuge für das Bergwerk Hohe Grete.

- Peter Weber (Foto rechts) als Schuster reparierte die durchgelaufenen Schuhe der Dorfbewohner.

- Elektro Wayder versorgte die Dorfbewohner mit allem, was mit Strom zu tun hatte. In ihrem Ladengeschäft verkaufte die Familie auch Haushaltswaren und Elektrokleingeräte sowie Spielzeug.

- Zudem gab es im Ort auch eine Tankstelle am Ortsausgang nach Dattenfeld, die von Rudolf Gerhards betrieben wurde.

- Johann "Schängchen" Welteroth baute und reparierte in seiner kleinen Werkstatt im Wehrbusch noch bis in die 1970er Jahre Kinderwagen.

- Mit Maria Diehl, als Putzmacherin und mit einem Laden in Dattenfeld, und mit Schneidermeister Bruno Döring und seinen 3 Mitarbeitern verfügte Dreisel sogar über Handwerker, die fast schon für Luxusbedürfnisse der Dorfbewohner zuständig waren.

- Am Kastanienweg gab es eine kleine Gärtnerei, die von Georg Gruchot betrieben wurde. Dort konnte man Sämereien, Blumen, Gestecke und Kränze kaufen.

- Auch „industrielle" Arbeitsplätze gab es in Dreisel. Im Saale Rossenbach (heute Siegperle) wurden Isolatoren für die RWI (Rheinisch-Westfälische Isolatorenfabrik), Zweigwerk Wilberhofen, gewickelt. Diese Arbeit wurde von Frauen im Akkord ausgeführt, ebenso wie später im selben Saal Stützstrümpfe für einen Strumpfhersteller gestrickt wurden.

- Der Bäcker und Konditor Hartmut Badneck und seine Frau Inge hatten 1965 die Bäckerei im Hause Höffer/Wehrbusch übernommen und zogen 1967 in das neue Haus Wehrbusch 6 um. Als Hartmut Badneck seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte,  wurde das Geschäft von Hubert Schmidt weitergeführt.

Hartmut Badneck beschreibt seinen beruflichen Alltag so: Aufstehen um 2 Uhr, dann bis 8 Uhr Arbeit in der Backstube. Anschließend bis ca. 18 Uhr Belieferung von 28-30 kleinen „Tante Emma"-Läden in der Umgebung. Tagsüber kümmerte sich Inge Badneck um den Laden – und natürlich auch um den Sohn Ralf. Mit „Brotschneiden" waren regelmäßig 3 weibliche Arbeitskräfte beschäftigt. Das Foto (Anfang der 1970er Jahre) zeigt den modernen Backofen der Bäckerei Badneck und eine Tagesproduktion Brot.

- Den Getränkehandel Christgen gibt es in Dreisel seit 1959 und er wird heute in dritter Generation durch den Enkel des Gründers, Achim Christgen, weitergeführt. Wilhelm Christgen war eigentlich Landwirt – Wie kam er dazu vom Getränkeverkauf zu leben? Und warum verkaufte Christgen zunächst nur das nun wirklich nicht naheliegende „Dillenburger Hofbräu"?  Dieter Christgen erzählt, dass sein Vater mit einigen Helfern zum Holzschlagen in Seligenthal an der heutigen Wahnbachtalsperre unterwegs war. Bei der wohlverdienten Pause in einer dortigen Gastwirtschaft lernte er den Vertreter der genannten Brauerei kennen, die eine Zweigstelle in Köln betrieben. Man kam ins Gespräch und später ins Geschäft. Fortan holten Wilhelm und Dieter Christen ihr „Dillenburger Hofbräu" immer vor Ort mit einem VW-Bus ab. Dieter Christgen gibt das Fassungsvermögen des kleinen Transporters mit 80 Kästen an. Die Frage einer eventuellen Überladung, das gibt er immerhin zu, stellt man dabei besser nicht...

1985 übernahm Dieter Christgen das Geschäft seines Vaters. Der Getränkeverkauf wurde bis dahin in der Scheune abgewickelt. Diese wurde dann um- und ausgebaut, bis schließlich an derselben Stelle die heutigen Wohn- und Verkaufsräume entstanden. Das Foto zeigt eine fröhliche Sonntagsrunde in den späten 1960er Jahren genau vor den heutigen Geschäftsräumen.